Spende Stolpersteine

Posaunenchor Borken spendete zwei Stolpersteine

Den Auftakt bildete ein Meditationsgottesdienst im vergangenen Jahr. Dort spielte der Posaunenchor Borken das Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen“, dessen Text der Berliner Schriftsteller und Theologe Jochen Klepper im Jahr 1938 verfasst hat. Klepper stammte aus einer Pfarrersfamilie, wurde 1903 geboren, gilt als einer der bekanntesten Autoren christlichen Liedguts im 20. Jahrhundert und war mit einer Jüdin verheiratet. Das Ehepaar sah sich ab 1933 der menschenverachtenden Politik der Nationalsozialisten ausgesetzt.

Als im Jahr 1942 die Deportation von Johanna Klepper in ein Konzentrationslager drohte, nahm sich das Ehepaar in der Berliner Wohnung das Leben. „Auf dem Stolperstein für Jochen Klepper finden sich die Formulierung „Flucht in den Tod“ und das Todesdatum des 18. Dezember 1942“, merkt Günter Schramm, Mitglied im Posaunenchor, an. „Insofern ist es sicher leicht nachvollziehbar, dass wir die Kollekte des Adventsgottesdienstes für Stolpersteine spenden möchten, die in Borken verlegt werden sollen“, erläutert er.

Die Kollekte dient konkret zur Finanzierung von zwei Stolpersteinen für das jüdische Ehepaar Friederike und Moritz Nußbaum, die einst ein gut eingeführtes Manufakturwarengeschäft in der Marktstraße in unmittelbarer Nähe zum Historischen Rathaus in der Borkener Altstadt führten.

Moritz Nußbaum war im Jahr 1938 der Gemeindeälteste der Jüdischen Gemeinde Borkens.


Antisemitismus und Gewalt gegen jüdische Einwohner Borkens

Auch die Familie Nußbaum sah sich in der Bergbaustadt Anfeindungen, Ausgrenzungen und Gewalt durch die Nationalsozialisten ausgeliefert. Nach der schrecklichen Pogromnacht im November 1938 verkauften der Kaufmann Moritz und seine Frau Friederike Nußbaum am 3. Februar 1939 ihr Wohn- und Geschäftshaus an den Friseurmeister Heinrich Amthauer. Die Familie Nußbaum verließ ihre Heimat am 5. Mai 1939 und musste in eine Sammelunterkunft am Großen Wallgraben in Frankfurt umziehen.

Von dort aus erfolgte im Jahr 1941 die Deportation nach Litauen. Moritz und Friederike wurden am 25. November 1941 mit ihrer Tochter Marianne im berüchtigten Fort IX in Kaunas (Kowno) im Zuge des beginnenden Holocaust ermordet. Der Sohn Leopold und seine Schwester Minna wurden im März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz verbracht. Ihr genaues Todesdatum ist nicht bekannt. Sie wurden für tot erklärt. Lediglich dem 1921 geborenen Sohn Erich Nußbaum gelang 1937 die Flucht in die USA. Hier leben heute noch Nachfahren.

Günter Schramm und Michael Schmidt vom Posaunenchor nahmen jetzt Kontakt zum Bürgermeister der Stadt Borken (Hessen), Marcèl Pritsch, auf. Der Verwaltungschef engagiert sich seit dem Jahr 2024 als Schirmherr für das Kooperationsprojekt des Stadtarchivs und des Geschichtsvereins Borken, das die Erforschung und Dokumentation der lokalen jüdischen Geschichte zum Ziel hat. Dazu gehört auch die Schaffung neuer Erinnerungsorte durch die Verlegung von Stolpersteinen durch den bundesweit bekannten Künstler Günter Demnig.

In diesem Jahr sollen in Borken 30 neue Stolpersteine verlegt werden – ein ehrgeiziges Ziel. „Als Termin für die Stolpersteinverlegung ist Dienstag, der 2. September, 9 Uhr, vorgesehen“, kündigt Marcèl Pritsch an. Der Bürgermeister ergänzt: „Erfreulicherweise haben Borkener Bürgerinnen und Bürger, ortsansässige Unternehmen, Banken und Kirchen schon Beträge für 20 Stolpersteine gespendet. Es fehlen also nur noch zehn.“

 

Neue Stolpersteine für Borken
„Im Namen des Stadtarchivs und des Geschichtsvereins bedanke ich mich sehr herzlich bei dem Posaunenchor für die großzügige Spende“, freut sich Ingo Sielaff, der gemeinsam mit ehrenamtlichen Unterstützern das Projekt koordiniert. „Wir sind sehr zuversichtlich, auch für die restlichen Stolpersteine Sponsoren und Spender zu finden“, ergänzt der Leiter des Stadtarchivs. Der Historiker verweist darauf, dass sich seit dem Vorjahr der Forschungsstand zur jüdischen Geschichte Borkens stark erweitert hat. „Nachdem im November letzten Jahres schon eine erste Publikation erschienen ist, planen wir jetzt ein weiteres, umfangreicheres Buch“, so Sielaff.

Die Kosten für einen Stolperstein belaufen sich auf 120 Euro. Natürlich ist auch eine anteilige Spende für einen halben Stein (60 Euro), einen Drittel- (40 Euro) oder einen Viertelstein (30 Euro) möglich.

Für die weitere Erforschung, die zweite Publikation oder die Veranstaltung am 2. September werden ebenfalls gerne Spenden entgegengenommen. Die Unterstützer werden gebeten, bei Überweisungen als Verwendungszweck „Jüdische Geschichte Borkens“ bzw. „Stolperstein“ anzugeben. Man kann auch ganz persönlich für einen ehemaligen jüdischen Bürger Borkens spenden – zum Beispiel für Leopold, Minna, Marianne oder Erich Nußbaum.

Jörg Domes vom Geschichtsverein, Tel. 0173 6555456, E-Mail joergdomes@t-online.de, und Ingo Sielaff vom Stadtarchiv, Tel. 05682 808-186, E-Mail ingosielaff@borken-hessen.de, vermitteln gerne Informationen zum Projekt und zu den Stolpersteinen. 

 

Die Spendenkonten des Geschichtsvereins lauten:

Sparkasse Borken-Schwalmstadt, IBAN DE24 5205 3458 0000 0019 82 und VR-Bank Bad Salzungen-Schmalkalden eG, IBAN DE98 8409 4754 0001 3102 16.


Zu der Stolpersteinverlegung am 2. September in Borken erwarten der Geschichtsverein und das Stadtarchiv, Stand heute, mehr als 20 Nachfahren jüdischer Familien, die aus den USA, England, den Niederlanden und Israel anreisen möchten. 

Das Wohn- und Geschäftshaus des Manufakturwarengeschäfts von Moritz und Friederike Nußbaum befand sich mitten in der Borkener Altstadt. Der Stadtzeichner Herbert Grabowski zeichnete die Häuserzeile im Jahr 1992, bevor die Gebäude abgerissen wurden. Die Familie Nußbaum bewohnte bis zum Jahr 1939 das Haus ganz rechts.