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Die „Rettungsgondel von Stolzenbach“
Die Bergleute bezeichnen das Gerät als Fahrkorb, der Personen von der Tagesoberfläche in das unterirdische Bergwerk befördert oder umgekehrt. Die Mitarbeiter der Abfalldeponie in Uttershausen nennen es Krangondel, die 1 x im Jahr zu einer Befahrung der Entwässerungsschächte genutzt wird, um festzustellen, ob sich in oder unter der Deponie gefährliche Schadstoffe bilden. Für das Bergbaumuseum ist das rot-metallene Gestell die „Rettungsgondel von Stolzenbach“, die beim verheerenden Grubenunglück des Jahres 1988 im Borkener Kohlerevier zum Einsatz kam und die sechs überlebenden Bergleute aus der Grube Stolzenbach wieder zurück ans Tageslicht brachte. Beim Grubenunglück, das am 1. Juni 1988 durch eine untertägige Kohlenstaubexplosion ausgelöst wurde, kamen 51 Bergleute ums Leben.
Der Abfallzweckverband Lahn-Fulda übereignete jetzt dem Hessischen Braunkohle Bergbaumuseum die Krangondel, die im Juni 1988 eine so große Bedeutung besaß und den sechs Überlebenden nach der Katastrophe neuen Lebensmut und Zukunftsfreude schenkte. Durch sie gelangten die Sechs, die 65 Stunden nach dem Explosionsereignis in einer untertägigen Luftblase in Dunkelheit und Angst verharrt hatten, zurück ins Leben.
„Der Fahrkorb von Stolzenbach ist aus Sicht des Museums daher ein herausragendes Museumsexponat“, erläutert Ingo Sielaff, der das Hessische Braunkohle Bergbaumuseum leitet. „Das Rettungsgerät fügt sich ideal in unsere Ausstellungsbereiche ein“, hebt der Historiker hervor und verweist auf den Dauerausstellungsbereich in dem Museumsgebäude in der Borkener Altstadt, der die Geschichte der Grube Stolzenbach erzählt und dabei natürlich auch auf den Hergang, die Ursachen und die Folgen des Grubenunglücks eingeht.
„Jetzt können wir den selbstlosen, mutigen und gefährlichen Einsatz der Grubenwehrmänner, die systematische Suche nach Überlebenden und die Rettung der sechs Bergleute mit einem authentischen Ausstellungsstück noch besser im Museum darstellen“, sagt Bürgermeister Marcèl Pritsch, der zugleich Vorsitzender des Vorstandes der „Stiftung Hessisches Braunkohle Bergbaumuseum“ ist. Der Verwaltungschef und der Landrat des Schwalm-Eder-Kreises, Winfried Becker, haben sich mit großem Engagement dafür eingesetzt, dass das Bergbaumuseum die Krangondel erhält. „Das Grubenunglück von Stolzenbach war eine der schwersten Unglücke in der Geschichte des Schwalm-Eder-Kreises“, betont Becker und fährt fort: „Da liegt es doch auf der Hand: Dieses Exponat gehört einfach ins Museum, um die Erinnerung an die Bergbau- und Kraftwerksära wachzuhalten, die für den Kreis und die Kommune so viel Positives gebracht hat.“ Winfried Becker ist Verbandsvorsitzender des Zweckverbandes.
Die Krangondel war in den 1980er Jahren vom Abfallzweckverband angeschafft worden, wurde dann im Juni 1988 für den Rettungseinsatz nach Stolzenbach ausgeliehen und kam anschließend wieder auf das Deponiegelände zurück. Dort geriet sie nach dem Grubenunglück in Vergessenheit. Nur die langgedienten Deponiemitarbeiter und der damalige Betriebsleiter Ulrich Jäger kannten die Zusammenhänge. Erst durch einen Zufall gelangte das Wissen um den Verbleib des Fahrkorbs wieder ins Museum. „Einem pfiffigen Elektriker fiel auf, dass im Lager der Deponie ein ungewöhnliches Gestell stand. Er vermutete gleich, dass es sich um das Rettungsgerät von Stolzenbach handelte, setzte sich mit dem Lokalhistoriker Thomas Schattner aus Wabern in Verbindung, der schließlich im Museum anrief“, erinnert sich Ingo Sielaff. „Natürlich war ich sofort elektrisiert. Wir prüften anhand historischer Fotografien, ob es sich tatsächlich um den Fahrkorb von Stolzenbach handelte. Das Ergebnis war eindeutig!“ Als dann der Betriebsleiter der Abfalldeponie Ulrich Jäger bestätigte, dass das eingelagerte Gerät im Juni 1988 tatsächlich nach Stolzenbach transportiert worden war, waren alle Zweifel beseitigt. Ulrich Jäger, vor kurzem in den Ruhestand gewechselt, war beim Verladen des Geräts als Zeitzeuge mit dabei.
Erfreulicherweise erklärten sich die Sparkasse Borken-Schwalmstadt und die Kreissparkasse Schwalm-Eder zu einer namhaften Spende bereit, damit der Abfallzweckverband ein Ersatzgerät anschaffen und die Krangondel dem Museum zur Verfügung stellen konnte. „Da es sich um ein besonderes Kulturgut handelt, das beim Grubenunglück eine so wichtige Rolle gespielt hat, sind wir gerne bereit gewesen, das Vorhaben zu unterstützen“, führt Mario Jahn, Vorstandsmitglied der Sparkasse Borken-Schwalmstadt, aus. Das Geld wurde an den Förderkreis des Museums überwiesen, der es dem Abfallzweckverband für die Neuanschaffung zur Verfügung stellte.
Michael von Bredow von der „Stiftung Kreissparkasse Schwalm-Eder“ und Bürgermeister Tobias Kreuter, Verwaltungsrat der Sparkasse Borken-Schwalmstadt, freuten sich, dass ihre Bankinstitute die Übereignung überhaupt erst möglich gemacht hatten und dass jetzt ein „ausdrucksstarkes Stück Borkener Geschichte“ in die ehemalige Bergbaustadt zurückkehrt.
„Wir bedanken uns im Namen des Hessischen Braunkohle Bergbaumuseums sehr herzlich beim Abfallzweckverband, beim Landrat und bei den beiden Sparkassen für die maßgebliche Unterstützung sowie beim Förderkreis des Museums für die finanzielle Abwicklung“, erklärte Bürgermeister Marcèl Pritsch. „Die Rettungsgondel wird in den Ausstellungsbereich des Museums integriert werden und kann dann von den Museumsgästen besichtigt werden,“ versprach der Borkener Bürgermeister.
Das Hessische Braunkohle Bergbaumuseum startet am Sonntag, 13. April, von 11.00 bis 17.00 Uhr mit einem Familien- und Frühlingsfest in die neue Saison. Anschließend wird es dienstags bis mittwochs um 14.00 Uhr, freitags und samstags von 14.00 bis 17.00 Uhr und sonn- und feiertags von 11.00 bis 17.00 Uhr geöffnet sein.
Weiterführende Infos erhalten Sie unter www.braukohle-bergbaumuseum.de im Internet.