Jüdische Familien in Borken


Der Geschichtsverein und das Stadtarchiv Borken stellten im Anschluss an die Gedenkveranstaltung zum 86. Jahrestag der Reichspogromnächte im Historischen Rathaus eine neue Publikation zur jüdischen Geschichte Borkens vor. Darin gehen sie auf das Schicksal und das Leben jüdischer Familien in der nordhessischen Stadt ein. Der Anteil der jüdischen Bevölkerungsgruppe in Borken betrug zeitweilig über 15 %. Über viele der einstigen Mitbürger ist so gut wie nichts bekannt.

Erstes Buchexemplar an die Jüdische Synagoge Felsberg
Jörg Domes (rechts) überreichte das erste Buchexemplar an den Vorsitzenden des „Vereins zur Rettung und zum Erhalt der Synagoge Felsberg“, Christopher Willing. In der Synagoge befindet sich eine umfangreiche Bibliothek zur jüdischen Geschichte Nordhessens.

„Genau das möchten wir mit der neuen Publikation ändern“, erläuterte Jörg Domes, einer der vier Buchautoren und Initiator des Projektes. „Wir konnten bei unseren Recherchen auf Unterlagen aus dem Borkener Stadtarchiv zurückgreifen. Hilfreich war auch, dass bislang schon 34 Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig in Borken verlegt worden sind. Dadurch haben wir viele Nachfahren jüdischer Bürger kennengelernt, die uns die Geschichte ihrer Eltern oder Großeltern erzählen konnten“, ergänzte Domes.

So umfasst das Buch 190 Seiten, widmet sich den Familien, für die bereits Stolpersteine verlegt worden sind und enthält bewegende, nachdenkenswerte Aussagen zu den bedrückenden und zermürbenden Erfahrungen, die die jüdische Bevölkerung im „Dritten Reich“ in der damaligen Bergbau- und Energiestadt machen mussten. Die Jüdinnen und Juden sahen sich im NS-Regime Anfeindungen, Drangsalierungen, Rassismus, Hass und Boykotts ausgesetzt. Viele wurden deportiert und in den Konzentrationslagern ermordet. „Genau aus dem Grund ist es uns wichtig, ihr Schicksale in Erinnerung zu rufen,“ betonte Mitautor Hans-Peter Klein, Experte für jüdische Geschichte in Nordhessen.

Für viele Opfer des NS-Unrechtsstaates gibt es noch nicht einmal Grabsteine. Daher planen die Autoren Jörg Domes, Richard Oppenheimer, Hans-Peter Klein und Ingo Sielaff weitere Stolpersteinverlegungen, so dass auch ihre – bislang weitgehend unbekannte – Geschichte aufgearbeitet werden kann. Das Gedenkbuch des Bundesarchivs zu den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zählt über 100 Namen auf, die einen direkten Bezug zur Großgemeinde haben. „Es bleibt noch viel zu tun“, merkte Jörg Domes an.

Einer der Buchautoren
Der US-Bürger Richard Oppenheimer war extra aus Florida angereist, um das neue Buch in Borken zu präsentieren. Er steuerte ein Kapitel zum Jüdischen Friedhof in der Jahnstraße in Borken bei.

Immerhin: Mit dem vorliegenden Buch ist ein erster wichtiger Schritt gemacht. Zudem enthält es eine Übersicht zum jüdischen Friedhof Borkens in der Jahnstraße, die von Richard Oppenheimer angefertigt wurde. Der Buchautor ist Experte für jüdische Friedhöfe in Nordhessen und reiste extra aus Florida / USA zur Buchpräsentation an. „Meine Familie stammt aus Bad Wildungen und Ungedanken, so dass ich mit Nordhessen verbunden bin“, erläuterte der Amerikaner.

Weitere ausländische Gäste auf der Buchpräsentation waren Peter und Marianne Mills aus Amsterdam. Peter ist Sohn der ehemaligen Borkenerin Lieselotte Kaufmann, die einst in der Bahnhofstraße lebte und der es im Alter von 17 Jahren gelang, von Borken aus nach England zu flüchten.

Schirmherr der Veranstaltung
Bürgermeister Marcèl Pritsch begrüßte 60 interessierte Zuhörer im Historischen Rathaus,  bedankte sich bei den Sponsoren und den privaten Spendern, die das Buchprojekt und die Forschungsarbeiten ermöglicht hatten und stellte einige neue Beschilderungen vor, die künftig im Stadtbild auf die jüdische Geschichte Borkens hinweisen werden.

„Ich freue mich, dass wir mit der Publikation jetzt einen bedeutsamen Abschnitt der lokalen Stadtgeschichte in Händen halten können. Die jüdische Bevölkerung war ein aktiver, wichtiger Teil der Bevölkerung, der das Leben in Borken kulturell, wirtschaftlich und religiös bereicherte und der gut in unsere Stadt integriert war“, hob Bürgermeister Marcèl Pritsch hervor, der gemeinsam mit dem Stadtverordnetenvorsteher Michael Weber Schirmherr der Buchpräsentation war und im Historischen Rathaus ca. 60 Zuhörer begrüßte.

Kurzum: Das Buch zur jüdischen Geschichte Borkens ruft eine – jetzt nicht mehr vergessene – Zeit in das öffentliche Bewusstsein zurück. Gerade jetzt, in einer Zeit in der Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus wieder verstärkt gesellschaftliche Akzeptanz finden, lädt es zum Nachdenken und zum Lernen aus der Geschichte ein.

Das Buch kostet 20 € und ist in der Buchhandlung „Der Bücherwurm“, in der Buchhandlung "Buch & Papier Mönch", in der Geschäftsstelle des Geschichtsvereins im Geschäft „Mach´s Annersder“ sowie im Fotostudio Karl/Postfiliale Borken erhältlich. Der Geschichtsverein und das Stadtarchiv Borken freuen sich auch auf Spenden zur weiteren Erforschung der jüdischen Geschichte Borkens und zur Verlegung weiterer Stolpersteine.